Die "American Colony" und die deutschen Templer in Jaffa
- Israel Reiseleiter
- 5. Apr.
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 13 Stunden
Entlang der malerischen Auerbach- und Beer-Hofmann-Straßen in Jaffa entdecken Besucher ein charmantes historisches Viertel, das einst als "American Colony" begann und später zur Heimat der deutschen Templer wurde. Dieser kleine, aber geschichtsträchtige Ort erzählt eine bemerkenswerte Geschichte von religiösem Eifer und gescheiterten Träumen der Amerikaner und Deutschen.
Der Aufbruch der amerikanischen Kolonisten
Im September des Jahres 1866 wagten 157 evangelikale Christen der "Messiah's Church" aus Maine die Schiffsreise nach Jaffa, getragen von dem Wunsch, hier im Heiligen Land eine amerikanische Kolonie zu gründen. Ihr charismatischer Anführer, Prediger Georg Adams, überzeugte sie davon, dass ihre landwirtschaftliche Siedlung die Wiederkehr Christi und die Erlösung beschleunigen würde.
Ankunft und erste Herausforderungen für die American Colony in Jaffa
Die amerikanischen Siedler brachten nicht nur ihren Glauben mit, sondern auch vorgefertigte Holzhäuser, Mobiliar, Kleidung und Güter des täglichen Bedarfs. Doch die Realität in Jaffa gestaltete sich schwieriger als erwartet. Die osmanische Bürokratie stellte sie vor erhebliche Hürden, sodass sie zunächst in Zelten am Strand notdürftig untergebracht waren. Unvorbereitet auf das lokale Klima und die hiesigen Krankheiten, fielen einige von ihnen innerhalb weniger Wochen der Malaria und Cholera zum Opfer. Trotz dieser Widrigkeiten errichteten sie bis zum Ende des Jahres zehn Häuser und nannten sie "Mount Hope".
Gescheiterte Mission und wirtschaftlicher Niedergang
Die Hoffnungen, die muslimische Bevölkerung zu bekehren, zerschlugen sich auf bittere Weise. Ihre Missionsversuche führten zu Übergriffen arabischer Anwohner, was die Kolonisten zwang, ihre Siedlung zu ummauern und nachts zu verschließen. Es zeigte sich bald, dass ihr frommer Glaube allein nicht ausreichte, um eine funktionierende landwirtschaftliche Gemeinde aufzubauen. Ihnen fehlte das nötige Wissen und die Erfahrung, und so verarmten sie rasch. Ihr Anführer Georg Adams verfiel dem Alkohol und veruntreute Gelder aus der Gemeinschaftskasse. In dieser Notlage erwies sich der jüdische Philanthrop Moses Montifiori aus London als Helfer. Er verpachtete den Amerikanern Zitrusplantagen in Jaffa, um ihnen eine Lebensgrundlage zu ermöglichen. Doch im Sommer 1867 erkannten die Kolonisten, dass ihre spärlichen Ernten nicht zum Überleben reichten und ihre Situation aussichtslos war.
Mark Twain und das Ende der American Colony
Im Herbst 1867 besuchte der der damals noch unbekannte Schriftsteller Mark Twain zusammen mit einer Gruppe wohlhabender amerikanischer Touristen die Siedlung. In seinem Reisebericht "Die Arglosen im Ausland" schilderte er die letzten, trostlosen Tage der amerikanischen Siedler als ein "komplettes Fiasko". Twain zeigte Mitgefühl und bat die reichen Touristen um Spenden, um den Kolonisten die Rückreise in die Vereinigten Staaten zu ermöglichen.
Der Aufstieg der deutschen Templer
Mit dem Scheitern der amerikanischen Kolonie begann das deutsche Kapitel in der Geschichte dieses Viertels.
Der aus Thüringen stammende Missionar Peter Martin Metzler erwarb den Besitz der Amerikaner für seine Chrischona-Mission zum Schnäppchen Preis. Doch sein Aufenthalt in Jaffa war nur von kurzer Dauer. Bereits 1869 zog Metzler nach Russland, um die Ländereien des Barons Plato von Ustinov zu verwalten. Dies führte dazu, dass er seinen Besitz in Jaffa an Christoph Hoffmann verkaufte, den Gründervater der deutschen Templerbewegung und dem Leiter der Kolonie in Haifa.
Unter der Führung Hoffmanns entstand in Jaffa eine dynamische Siedlung. Die vorhandenen Gebäude, darunter das "Hotel Jerusalem", ein Krankenhaus mit Apotheke sowie eine Dampfmühle, ermöglichten es den Templern, Dienstleistungen für die einheimische Bevölkerung und die zahlreichen Pilger anzubieten. Innerhalb eines Jahres lebten bereits 110 Templer in der Kolonie.
Baron Plato von Ustinov: Eine schillernde Persönlichkeit
Eine der bemerkenswertesten Figuren, die sich den Templern in Jaffa anschloss, war Baron Plato von Ustinov, ein ehemaliger russischer Offizier. Nachdem er seinen Besitz verkauft und zur evangelischen Kirche konvertiert war, zog er 1878 von Württemberg nach Jaffa. Kurz nach seiner Ankunft sorgte er für Aufsehen, indem er sich scheiden ließ und eine äthiopisch-deutsch-jüdische Hofdame heiratete. Sein Sohn Jona diente als Pilot im Ersten Weltkrieg für Deutschland und im Zweiten Weltkrieg als Spion für die Briten. Der Enkel des Barons wurde der britische Schauspieler Peter Ustinov.
Die Tourismusindustrie der Templer
Jaffa war zu dieser Zeit der wichtigste Hafen Palästinas, und nahezu alle Pilger kamen hier an, um ihre Weiterreise ins Landesinnere anzutreten. Die Templer erkannten die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich daraus ergaben. Kutschfahrten vom Hafen nach Jerusalem und der Transport von Obst aus ihren eigenen Plantagen zum Hafen entwickelten sich zu wichtigen Einnahmequellen. Die Rentabilität des Personentransports führte 1875 zur Gründung einer eigenen Gesellschaft, die noch im selben Jahr einen Vertrag mit der britischen Reiseagentur Thomas Cook abschloss. Fortan übernahmen die Templer alle Fahrten für Cook. Die Ausweitung des Transportwesens beflügelte auch das Wagenbau- und Reparaturwesen in der Kolonie.
Das Norton Haus
Eines der ersten Häuser, das in Maine abgebaut und in Jaffa wiedererrichtet wurde, war das Heim von Captain Ackley Norton, seiner Frau und ihren fünf Kindern. Heute ist dieses Gebäude Teil des benachbarten Drisco Hotels.
Das Jerusalem Hotel / Drisco Hotel
Die Drisco-Brüder, die kein Interesse an Landwirtschaft zeigten, erbauten aus Stein ein Hotel und nannten es "Le Grand Hotel". Da es jedoch nicht rechtzeitig zur Ostersaison fertiggestellt wurde, mussten sie Konkurs anmelden. Der Missionar Peter Martin Metzler übernahm das Gebäude als Missionshaus, und mit dem Erlös konnten die Drisco-Brüder ihre Rückreise nach Amerika finanzieren.
Unter dem neuen Namen "Jerusalem Hotel" beherbergte es bedeutende Persönlichkeiten wie den britischen Archäologen Sir Charles Warren, der unter anderem Tel Jericho ausgegraben hat, und den „Warren’s Shaft“ in der Davidstadt in Jerusalem entdeckte. Ebenso der Reiseunternehmer Thomas Cook war zu Gast und handelte hier Verträge für die Reisen ins Heilige Land aus. Heute ist es das Hauptgebäude des luxuriösen Drisco Hotels mit seinem renommierten Restaurant "John & George" – eine Hommage an die Drisco-Brüder.
Immanuel Hostel / Park Hotel
Das Gebäude erlebte eine bewegte Geschichte. Es wurde ursprünglich von vier amerikanischen Kolonistenfamilien erbaut, die es später an die Templer verkauften. Diese nutzten es als Tempelstift, das Verwaltungsgebäude ihrer Templer-Gesellschaft. Nach der Verlegung des Hauptquartiers nach Jerusalem erwarb Baron Plato von Ustinov das Gebäude, stockte es auf und machte es zu seiner Residenz. Sein Anwesen umfasste einen Garten mit exotischen Pflanzen und Bäumen sowie Volieren mit Affen und Papageien. Im Haus eröffnete er zudem ein Antiquitätenmuseum.
Im Jahr 1895 wandelte Ustinov sein Haus in das luxuriöse Park Hotel um. Hier logierten prominente Gäste wie Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1898 und der zionistische Führer Arthur Ruppin, ein Wegbereiter der Stadt Tel Aviv. Anfänglich stellte das Hotel eine bedeutende Einnahmequelle für die Templer in Jaffa dar. Das Hotel wurde erweitert und ein Kaufhaus angegliedert, das unter anderem bei wohlhabenden Arabern beliebt war.
Die Ära Ustinovs endete mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914, der die Deportation des russischstämmigen Barons zur Folge hatte. In der Zeit des britischen Mandats wandelte sich die Nutzung des Gebäudes erneut und es wurde von der englischen Armee genutzt, und nach der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 nutzte es die israelische Armee für kurze Zeit, und wenig später wurde es zu einer Mädchenschule. Eine weitere Veränderung trat 1970 ein, als die Londoner Missionsgesellschaft "Church's Ministry among Jewish People" (CMJ), der evangelikale Zweig der anglikanischen Kirche, dort das Immanuel Hostel eröffnete.
Das Maine Friendship House (Wentworth Haus)
Das Maine Friendship House wurde von der Familie Wentworth samt ihrer vier kleinen Kinder als vorgefertigtes Holzhaus aus Maine nach Jaffa verschifft. Wie die meisten anderen Siedler verließ auch die Familie Wentworth Jaffa am 1. Oktober 1867 und reiste mit einer Touristengruppe zurück in die USA. Die Templerfamilie Frank erwarb das Haus und erweiterte es um einen steinernen Anbau auf der linken Seite. Zeitweise diente es auch als Frank Hotel.
Nachkommen der Wentworth-Familie haben hier ein kleines Museum eröffnet und nennen das Gebäude Maine Friendship House
Breich & Friedl Residenzen
Die beiden Templer Karl Friedl und Immanuel Breich eröffneten große Geschäfte in Jaffa. Ab 1875 importierten sie rote Dachziegel aus Marseille und ließen damit einen Fußabdruck in der hiesigen Landschaft zurück. Die Villa mit den Bögen war Ihre private Residenz und das prächtigste Haus in der Gegend.
Die beiden Templer Karl Friedl und Immanuel Breich etablierten bedeutende Handelsgeschäfte in Jaffa. Ihr ab 1875 erfolgter Import roter Dachziegel aus Marseille hinterließ einen markanten und sichtbaren Fußabdruck in der lokalen Bauweise. Ihre repräsentativen Villen diente ihnen als private Residenzen und waren zweifellos die prächtigste Anwesen in der Umgebung.
Gemeindehaus der deutschen Templer
Das Gemeindehaus der Templer wurde seitens des Staates Israel in den 1950er Jahren an die Skandinavische Lutherische Kirche übergeben, die auch die Immanuel Kirche verwaltet und es seither ebenfalls als Gemeindehaus nutzt.
Die Immanuel Kirche der deutschen Templer
Die Templer bauten in ihren Kolonien keine Kirchen, da Gott keine Prachtbauten verlange und nur das Gebet wichtig sei. Allerdings sah die zweite Generation dies anders, und ein Teil schloss sich wieder der evangelischen Kirche an – genau die, von der ihre Eltern ausgeschlossen wurden.
Anlässlich des Besuchs von Kaiser Wilhelm II. im Heiligen Land im Jahr 1898, in Begleitung des Stuttgarter Theologen Friedrich von Braun, wurde der Bau einer Kirche initiiert. Metzler und Baron von Ustinov stifteten das Grundstück, und von Braun legte den Grundstein. Nach sechsjähriger Bauzeit wurde die Kirche 1904 als Deutsche Evangelische Kirche von Jaffa eingeweiht. Kaiserin Auguste Viktoria trug mit Glocken und einer Altarbibel zur Ausstattung bei, während von Ustinov ein Olivenholzkruzifix spendete. Die Glasfenster zeigen biblische Szenen mit Bezug zu Jaffa.
Kurz nach der Gründung des Staates Israel wurde das Gebäude der Skandinavischen Lutherischen Kirche übergeben und in Immanuel Kirche umbenannt.
Das Rolla Floyd Haus
Nicht alle amerikanischen Kolonisten kehrten in die USA zurück: Rolla und Theodosia Floyd blieben in Jaffa. Obwohl ihr Sohn kurz nach ihrer Ankunft einer Krankheit erlag, fassten sie den Entschluss zu bleiben. Rolla Floyd entwickelte sich zu einem angesehenen Reiseleiter und arbeitete für Thomas Cook. Er galt bald als einer der besten Tour Guides im Heiligen Land.
Auf dem Schiff nach Jaffa hatte Floyd eine Postkutsche mit den modernsten Rädern und erstklassiger Federung mitgebracht, die bei ihren Fahrgästen so beliebt war, dass sie keine andere mehr nutzen wollten.
Die Erweiterung der Siedlung und die Industrialisierung
Im Jahr 1886 wurde die ursprüngliche Siedlung um das nördlich gelegene Gebiet Walhalla erweitert. Die Eisengießerei und Maschinenfabrik der Brüder Wagner entwickelte sich zu einem bedeutenden Industrieunternehmen. Ein weiterer wichtiger Betrieb war die Zementfabrikation und der Baustoffhandel der Gebrüder Wieland.
Der Niedergang der Templer in Jaffa
Mit dem Fall des Osmanischen Reiches im Jahr 1917 wurden die Templer von den britischen Behörden als feindliche Ausländer interniert und später nach Ägypten deportiert. Einige Jahre später durften sie zurückkehren. In den 1930er Jahren wandte sich ein Großteil der jüngeren Generation dem Nationalsozialismus zu, sie feierten Hitlers Geburtstag, Hakenkreuzfahnen wehten auf den Häusern, und die Hitlerjugend sang „Fahne empor“. Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Templer schließlich als Angehörige einer feindlichen Nation nach Australien und Deutschland deportiert, was das Ende ihrer Präsenz in Jaffa besiegelte.
Möchten Sie mehr über die Geschichte der deutschen Templer in der Region erfahren? Lesen Sie gerne meinen Blogbeitrag über die schwäbischen Häuslebauer in Sarona
Interessieren Sie sich für eine persönliche Erkundung dieses faszinierenden Viertels? Ich lade Sie herzlich ein, sich meine Touren durch Tel Aviv-Jaffa anzusehen.
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