Die große weiße Kuppel der Hurva Synagoge ist eines der Wahrzeichen von Jerusalem und der Altstadt. Aber die Geschichte der Synagoge ist eine von Zerstörung und Wiederaufbau – und sie zieht sich durch drei Jahrhunderte.
Die herrschenden Osmanen schlossen im Jahr 1589 die Ramban Synagoge, die Wichtigste in Jerusalem zu damaliger Zeit. Daraufhin kaufte im Jahr 1700 der Rabbi Jehuda ha-Hassid aus Polen ein Grundstück gleich nebenan, um ein neues Gebetshaus zu errichten. Allerdings starb der Rabbi kurze Zeit später. Zwischenzeitlich erreichte seine etwa 1000-Mitglieder starke Gemeinde arm und ausgemergelt Jerusalem auf dem Land- und Seeweg.
Dennoch begannen einige Jahre später die aschkenasischen Juden des Rabbis ha-Hassid mit dem Bau der Synagoge, sie sollte ein neues Zentrum für die wachsende jüdische Gemeinde in Jerusalem werden. Leider konnten die Juden das für den Bau benötigte und bei Arabern geliehene Geld nicht zurückzahlen. Das führte zu ersten Spannungen zwischen der Gemeinde und den Geldgebern, und im Jahr 1720 letztendlich zum totalen Baustopp. Die Juden wurden aus Jerusalem vertrieben, und voller Zorn steckten die Araber im Jahr 1721 das noch nicht fertige Gotteshaus in Brand. Dabei fielen auch 40 Tora-Rollen dem Feuer zum Opfer, und umliegende Häuser im jüdischen Besitz wurden geplündert. Die ausgebrannten Überreste der Synagoge wurden „Hurva“ genannt, das Hebräische Wort für Ruine – und dieser Name blieb bis heute erhalten.
Anfang des 19. Jahrhunderts gelang es dem Rabbi Menachem Mendel aus Safed eine endgültige Tilgung aller noch bestehenden Schulden der aschkenasischen Gemeinde zu erlangen. Dies war eine Vorbedingung für den Auf- und Ausbau der Synagoge. Erst als 1832 Muhammad Ali aus Ägypten die Herrschaft über Jerusalem übernahm, wurde das rigorose Verbot von Synagogenbau und Renovierung der osmanischen Herrscher gelockert: Bestehende Synagogen durften repariert werden. Mit Hilfe des Einflusses und des Geldes vom Unternehmer und Bankier Salomon Meyer Freiherr von Rothschild aus Wien, wurde 1836 das osmanische Bauverbot aufgehoben.
Mit massiver Unterstützung der Familie Rothschild, aber auch anderer Persönlichkeiten, wie zum Beispiel König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, wurde der Bau der Synagoge finanziert. Der Chef- Architekt des Osmanischen Reiches, Assad Effendi, entwarf die Synagoge im neobyzantinischen Stil, und sie war die erste Kuppelsynagoge weltweit. Die Deckenhöhe betrug 25 Meter, die Fensterbögen maßen knapp 13 Meter Höhe - eines der größten und von weitem sichtbarsten Gebäude Jerusalems. Und sie war höher als die dort nebenan stehende Moschee – was eigentlich unter Osmanischer Herrschaft strengstens verboten war. Vermutlich war das Bakschisch sehr großzügig gewesen …
Bei der Einweihung 1864 wurde der offizielle Name der Synagoge „Beit Jaakov“ benannt - nach Jakob Mayer Rothschild, dem Vater der zwei wichtigsten Sponsoren des Synagogenbaus: Die Brüder Alphonse und Edmond Rothschild. Dennoch blieb der Name Hurva-Synagoge in der Bevölkerung bis zum heutigen Tage erhalten.
Über 84 Jahre hinweg war die Hurva die schönste und wichtigste Synagoge nicht nur in Jerusalem, sondern in der ganzen Region. Sie war die größte Jeschiwa (jüdische religiöse Hochschule) Jerusalems, hier war der Sitz der aschkenasischen Oberrabbiner von Jerusalem und Palästina. In Verbundenheit zur deutschen Kaiserdynastie wurde am 3. Februar 1901 ein Gedenkgottesdienst für Königin Victoria abgehalten.
Im israelischen Unabhängigkeitskrieg, der Ende November 1947 mit dem arabisch-israelischen Bürgerkrieg begann, war die Hurva-Synagoge im Zentrum der Altstadt von höchster strategischer Bedeutung. Deshalb errichtete die Hagana (zionistische paramilitärische Untergrundorganisation) in der Synagoge eine ihrer Verteidigungsstellungen. Die Jordanische Arabische Legion forderte über das Rote Kreuz zur Kapitulation des jüdischen Viertels auf. Die Hagana lehnte dies entschieden ab, und leider wussten die unterlegenen Verteidiger nichts von dem kleinen Waffenlager unter dem Fußboden aus dem Jahr 1936. Am 27. Mai 1948 sprengten Soldaten der Arabischen Legion ein Loch in die Umfriedungsmauer der Synagoge und eroberten das Gebäude nach einem Kampf von einer knappen Stunde. Danach hissten die Jordanier ihre Fahne auf der Kuppelspitze, und sprengten die Synagoge mit allen Anbauten kurzerhand zu Schutt und Asche. Zum zweiten Mal wurde die Synagoge zur „Hurva“ (Ruine).
Der jordanische Kommandeur Major Abdullah at-Tall triumphierte: "Zum ersten Mal seit 1000 Jahren verbleibt kein einziger Jude im Jüdischen Viertel. Kein einziges Gebäude verbleibt intakt. Das macht eine Rückkehr der Juden unmöglich." Die Ruine wurde durch Jordanien vermint.
Der Herr Major at-Tall irrte sich gewaltig, denn nur 19 Jahre später, im Sechstagekrieg von 1967 wurde Jerusalems Altstadt von den Israelis zurückerobert. Pläne für den umgehenden Wiederaufbau scheiterten an Diskussionen zwischen Architekten und Archäologen. Die Ruine diente als Mahnmal, und 1977 wurde der große Bogen an der Südseite der Synagoge wieder aufgebaut.
Ab 2003 führte das Archäologische Institut der Hebräischen Universität Ausgrabungen durch. Funde aus der Zeit des Ersten Tempels (800-586 v. Chr.), des Zweiten Tempels (515 v. Chr. bis 70 n. Chr.), der byzantinischen Periode (395-642) und der osmanischen Periode bis in die Neuzeit wurden entdeckt. Gefunden wurden auch Brandspuren aus der Zeit um 70 n. Chr., als die Römer die Stadt dem Erdboden gleichmachten. Auch drei in den Felsen gehauene Mikves (Ritualbäder) aus der Zweiten Tempel Periode, und ein römischer Bogen zum Eingang des Cardos wurden freigelegt. Die Archäologen fanden auch ein kleines geheimes Waffenlager aus der Zeit der arabischen Aufstände vom Jahr 1936.
Im Jahr 2005 beschloss die israelische Regierung und die Stadt Jerusalem, den Aufbau der Hurva Synagoge nach den historischen Plänen von Assad Effendi wieder aufzubauen. In nur vier Jahren und mit einem Budget von 6,2 Millionen Dollar wurde die Synagoge neu erbaut. Am 15. März 2010 war die Einweihung, traurigerweise begleitet von schweren Ausschreitungen der Palästinenser. Die moslemische Führung hatte behauptet, mit der Einweihung der Synagoge würde ihre El Aqsa Moschee gefährdet werden.
Im großen Gebetsraum ist der 12 Meter hohe Aron HaKodesh (Tora Schrank) mit den Tora Rollen sehr beeindruckend - es ist der höchste weltweit. Der Aron HaKodesh der 1948 zerstörten Synagoge war ebenso hoch und wurde aus der Ukraine importiert.
Im Untergeschoß sind die archäologischen Ausgrabungen zu sehen. Anschließend geht es zur Frauen-Empore und über enge Wendeltreppen zur Aussichtsgalerie. Hier ist das perfekte 360-Grad-Panorama über die Altstadt und Jerusalem garantiert. Zweifelsohne ist ein Besuch der Hurva Synagoge mehr als lohnenswert und sollte Teil eines jeden Besuchsprogramm von Jerusalem sein. Die Synagoge ist für Besucher von Sonntag bis Donnerstag zwischen 10-17 Uhr zugänglich, Eintritt mit privatem Reiseleiter kostet ILS 17 pro Person (ohne Guide ILS 20). Weitere Infos auf Englisch Hurva Synagoge.
Ein Besuch der Hurva Synagoge ist auch Teil meiner Stadtführungen durch Jerusalem. Ich lade Sie herzlich dazu ein, sich meine Tagestouren auf meiner Webseite anzuschauen: Jerusalem Touren
Comments