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  • AutorenbildIsrael Reiseleiter

Bauhaus in Tel Aviv - die weiße Stadt


Nach der Schließung der letzten Bauhaus-Schule in Berlin durch das Nazi-Regime im Jahr 1933, gingen viele der Architekten ins Ausland. Die Juden unter ihnen kamen in das britische Mandatsgebiet Palästina, und fanden im erst 1909 gegründeten Tel Aviv  eine Plattform für die Umsetzung ihrer architektonischen und zionistischen Visionen: Hier entstand eine neue Gesellschaftsidee, frei von europäischen Zwängen und geprägt von sozialistischem Gedankengut. Dies markierte den Beginn der "Weißen Stadt" Tel Aviv.


Bauhaus oder Internationaler Stil?


Besteht ein Unterschied zwischen Bauhaus und Internationaler Stil? Beide Architekturstile haben vergleichbare Ideen und Ziele - denn die dominierenden Persönlichkeiten Walter Gropius und Mies van der Rohe entwickelten und setzten sie um: Zuerst in Deutschland und dann nach ihrer Emigration in den USA und von dort aus nach dem Zweiten Weltkrieg international.


Das Bauhaus war eine deutsche Kunstschule, die von Walter Gropius im Jahr 1919 in Weimar gegründet wurde. Im Jahr 1927 erfolgte der Umzug in die Industriestadt Dessau und der kommunistisch orientierte Hannes Meyer übernahm die Leitung für die nächsten zwei Jahre. Er wurde abgesetzt und ab 1930 wurde das Bauhaus vom Aachener Architekt Ludwig Mies van der Rohe geführt. Van der Rohe versuchte mit dem Umzug nach Berlin 1932 das Bauhaus zu retten - aber nach nur einem Jahr erfolgte die Schließung, da die Lehrmethoden einen "kommunistischen Ansatz" verfolgten.


Das Hauptziel des Bauhauses war es, Kunst, Handwerk und Technologie zu vereinen. Das Bauhaus Prinzip war "Form folgt der Funktion" - ein Element muss einen praktischen Nutzen haben. Ebenso Geometrie und geradlinige Formen waren dominierend zwecks Maximierung von Raum und Materialien.


Der Internationale Stil entwickelte sich zeitgleich mit dem Bauhaus in den 1920er und 1930er Jahren als Reaktion auf soziale und technologische Veränderungen. Diese Bewegung betonte Prinzipien wie Funktionalität, Einfachheit und das Fehlen von ornamentalen Details.


Gemeinhin gilt die Aussage, das alles was außerhalb Deutschlands, und/oder nach dem Kriegsende gebaut wurde, als Internationaler Stil definiert wird und nur ein Begriff in der Architektur ist.


Somit wären die Bauhäuser in Tel Aviv genau genommen gar keine Bauhäuser, sondern Gebäude des Internationalen Stils - aber wir hier in Israel nennen sie trotzdem Bauhaus.



Der Aufstieg der Weißen Stadt & UNESCO Weltkulturerbe


Zwischen den Jahren 1930 und der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 wurden in Tel Aviv über 4.000 Bauhäuser von mehr als 130 verschiedenen Architekten errichtet. Viele dieser Architekten waren Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland, wenngleich nur fünf von ihnen in Weimar oder Dessau Bauhaus-Studien absolviert hatten. Durch die hohe Zahl der Bauhäuser, auf einem verhältnismäßig kleinen Stadtgebiet, wurde Tel Aviv bereits damals das Zentrum der Bauhaus Architektur weltweit.


Seit 2003 ist Tel Aviv UNESCO Weltkulturerbe: "Die Weiße Stadt wurde von Anfang der 1930er bis in die 1950er Jahre auf der Grundlage des Stadtplans von Sir Patrick Geddes errichtet, der moderne organische Planungsprinzipien widerspiegelt. Die Gebäude wurden von Architekten entworfen, die in Europa ausgebildet wurden, wo sie vor ihrer Einwanderung ihren Beruf ausübten. Sie schufen ein herausragendes architektonisches Ensemble der Moderne in einem neuen kulturellen Kontext."


Heute stehen mehr als 1.500 dieser Gebäude unter Denkmalschutz, doch leider warten viele immer noch auf dringend benötigte Renovierungen.



Architektonische Merkmale


In Europa wurde der neue Baustil oft belächelt als "Schuhkarton neben Schuhkarton", aufgrund seiner geradlinigen Rechteckformen. Hier in Tel Aviv entstand ein eigenes Sprachbild: "Wäschekommode mit offenen Schubladen neben Wäschekommode mit aufgelassenen Schubladen" - eine Anspielung auf die Balkone, die nicht immer ordentlich und aufgeräumt waren.


Einige der typischen Bauhaus-Elemente mussten den örtlichen Bedingungen angepasst werden. Die charakteristischen großen horizontalen Fensterfronten, bekannt durch den Franzosen Le Corbusier, waren in Tel Avivs heißem Klima ungeeignet und wurden durch kleinere Fenster und lange, schmale Balkone ersetzt. Die Balkonfronten waren mit Schlitzen versehen, um die Luftzirkulation zu verbessern. Die Häuser bestanden aus Erdgeschossen und 2-3 darüber liegenden Stockwerken. Die Flachdächer dienten als Entspannungsorte für die Bewohner, zum Wäschetrocknen und manchmal sogar als Gemüsegärten. Die Außenwände waren meist mit Waschputz oder Kratzputz versehen, seltener aus Steinputz. Der helle oder weiße Anstrich der Häuser verlieh Tel Aviv den Beinamen "Weiße Stadt".



Architekten und ihre Innovationen


Berühmte Architekten wie Erich Mendelsohn und Pinchas (Philip) Huett prägten den Stil mit Rundungen und Balkonen, wodurch Eckhäuser mitunter wie Bugspitzen von Schiffen aussahen. Treppenhäuser waren häufig mit "Bullaugen"- oder "Fieberthermometer"-Fenstern versehen.


Joseph Berlin baute in Tel Aviv 80 Gebäude, und er nutze häufig Klinkersteine oder verschiedene Putzarten als dekorative Elemente. Der Architekt der Schocken Kaufhäuser in Deutschland, Richard Kaufmann, plante zusammen mit Patrick Geddes den Straßenverlauf. Er baute in der Weißen Stadt nur zwei Häuser - seine Hauptaktivitäten waren Baupläne für die Kibbutzim.


Baumaterial und Einfluss des "Transfer Abkommens"


Bedingt durch das sogenannte "Transfer Abkommen" zwischen der NSDAP und den jüdischen Organisationen in den Jahren 1933 bis 1939, importierten die Architekten und Bauherren außer Wasser und Sand alles an Baumaterial: Holz, Kacheln, Sanitärbedarf, Fenster und Türen, sowie das Glas dazu, und sogar den Zement. Sie vertrauten auf den ihnen bekannten Produkten und sahen die einheimischen Materialien häufig als minderwertig an.



Straßen der Bauhaus-Architektur


Entlang des Rothschild Boulevards können Sie eine Vielzahl von Bauhäusern der frühen und mittleren Bauhausperiode der dreißiger Jahre entdecken. Auch die Gegend um den Dizengoff-Platz aus der späteren Bauhaus Periode ist beliebt. Die Bialik Straße mit ihren neo-klassischen Gebäuden und Art-Deco-Elementen entstanden in der Zeit der Bauhäuser und gehören daher mit zum UNESCO Weltkulturerbe der Stadt Tel Aviv.


Möchten Sie Tel Avivs faszinierende Bauhaus-Geschichte hautnah erleben und und auch einen Blick hinter die Kulissen werfen? Ich lade Sie herzlich ein, eine meiner Touren durch Tel Aviv-Jaffa mit mir zu buchen. Auf Wiedersehen in der Weißen Stadt Tel Aviv!







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